PRESSE

Westfalia stolpert blind ins Verderben
 

07.11.16

Spitzenreiter geht gegen den Abstiegskandidaten Horst mit 1:6 unter. Frühe Führung führt zu Sorglosigkeit. Abwehr leistet nur Begleitschutz.

Was war denn das? Schon zur Pause rätselten die Westfalia-Fans über den blutleeren Auftritt ihres Teams, am Ende waren sie schier fassungslos, hatten höchstens noch Mitleid. Wenn überhaupt. Denn der Spitzenreiter hatte nicht nur die ihm von Trainer Christian Knappmann auferlegte Pflicht gegen den Tabellenvierzehnten grob vernachlässigt, er hatte sich regelrecht selbst versenkt. Gegen eine keineswegs übermächtige Mannschaft, die es aber wenigstens mit Fußballspielen versuchte, waren die Herner blindlings in ihr Verderben gerannt. Gerannt? Nein, gestolpert. Wurde andernorts schon gemutmaßt, Westfalia Herne könne sich nur selber schlagen, so weiß man seit gestern: Dieses Kunststück beherrschen die Herner perfekt.


Novembertristesse am Schloss Strünkede: Der SCW verliert gegen Horst-Emscher mit 1:6

Eigentor ebnet den Weg zum Sieg

Dabei war der Weg zu einem weiteren lockeren Sieg eigentlich geebnet. Keine sechs Minuten waren gespielt, da wehrte Horsts Innenverteidiger Lantermann eine Onucka-Hereingabe ins eigene Tor ab. Der Favorit führte, ohne lange gegen Beton anrennen zu müssen. Das von Knappmann befürchtete Geduldsspiel blieb den Hernern also erspart.

Das wirkte beruhigend. So beruhigend, dass die Herner die Laufarbeit beinahe komplett einstellten. Als ob sie die drei Punkte bereits im Sack hätten und es nur noch um die Höhe ihres Sieges ginge, setzten sich die Gastgeber zur Ruhe und ließen die Horster gewähren. Ob hinten oder vorne, die Emscher-Husaren waren in Überzahl, weil sie als Team arbeiteten, verschoben und sich gegenseitig halfen. Der SCW hingegen wirkte wie eine Ansammlung von Einzelkämpfern. Die Bälle wurden lang nach vorne gepölt, niemand rückte nach, und deshalb fühlte sich auch keine der Offensivkräfte genötigt, nach Ballverlust den Rückwärtsgang einzuschalten. Modernes Umschaltspiel? Beim SCW gestern Fehlanzeige.

Das bekamen die Gäste schnell spitz. Cem Avci ließ eine erste Chance aus, als er ein Zuspiel freistehend im 16-er nicht verarbeiten konnte (11.) Wenig später grätschte Maurice Haar eine Flanke knapp vor Dolunay zur Ecke. Herne wackelte, und Herne fiel. Denn als sich im Anschluss an die Ecke niemand bemüßigt fühlte, Volkan Kiral anzugreifen, zog der vom Strafraum-Eck einfach ab und sein noch leicht abgefälschter Schuss senkte sich über den machtlosen SCW-Keeper David Wassmann hinweg in den Knick.

War das der Wachmacher? Mitnichten. Es war der Anfang vom Ende. Westfalia taumelte nun von einer Verlegenheit in die nächste und kassierte nur zwei Minuten später den zweiten Nackenschlag. Nach einem einfachen Pass in die Tiefe erhielt Seyit Ersoy von der Herner Abwehr freundlichen Begleitschutz und lenkte den Ball gleich mit dem ersten Kontakt an Wassmann vorbei zum 1:2 ins Netz. So einfach kann Fußball sein.

Pleiten, Pech und Pannen

Was folgte, hätte für eine Doppelfolge von „Pleiten, Pech und Pannen“ ausgereicht. Gleich nach dem 1:2 köpfte Haar beim Abwehrversuch einen Gegner an, doch diesmal ließ Ersoy frei vor dem Tor das Zuspiel über den Spann rutschen. In der 31. Minute aber machte es der Kumpel von Weltstar Mesut Özil besser und zwirbelte die Kugel nach feinem Doppelpass vom Strafraumeck in den Knick. Zu diesem Zeitpunkt hatte Knappmann seine Elf schon komplett durchgeschüttelt, hatte Onucka und Kühn auf die Sechserpositionen beordert und den langen Rieker ins Sturmzentrum. Warum? Das blieb im Dunkeln, Knappmann war nach dem Spiel so bedient, dass er seine Jungs lieber Strafrunden drehen ließ, als in der auch von SV-Trainer Krempicki boykottierten Pressekonferenz zu erscheinen.

Zur Halbzeit hatte er in der Kabine vermutlich noch richtig getobt. Der Wille, das Spiel zu drehen, war den Hernern jedenfalls kurz anzumerken. Doch es lief einfach nichts zusammen, Stockfehler reihte sich an Querschläger, kein Herner erreichte Normalform, alles wirkte hektisch-elektrisch. Knappmann wechselte früh, stellte immer wieder um, schrie und schimpfte, aber nichts half. Als Ersoy gegen die völlig aufgelöste SCW-Abwehr das 1:4 erzielte, war die Pleite perfekt. Kurz darauf flog Gumpert mit Gelb/Rot vom Platz, und weil sich dann Mützel verletzte und nicht mehr ersetzt werden konnte, musste Westfalia das Trauerspiel zu Neunt zu Ende bringen. Zweimal klingelte es noch, dann war es überstanden. Endlich.


SC Westfalia 04 Herne - SV Horst-Emscher 08 1:6 (1:3)

Tore: 1:0 (6.) Eigentor Lantermann, 1:1 (13.) Kiral, 1:2, 1:3 , 1:4 (15., 31., 61.) Ersoy, 1:5 (80.) Berberoglu, 1:6 (87.) Ersoy.

SCW: Wassmann - Rößler (51. Gumpert), Zaskoku, Haar (32. Petrovic) - Temme, Rieker (46. Kaya), Mützel - Kühn, Ferati - Onucka, Trisic.

SR: Philip Dräger (Bielefeld)

Zuschauer: 275

Gelb/Rot: Gumpert (SCW/69.).


Quelle: WAZ Herne | Wolfgang Volmer


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