Spitzenreiter geht gegen
den Abstiegskandidaten
Horst mit 1:6 unter.
Frühe Führung führt zu
Sorglosigkeit. Abwehr
leistet nur
Begleitschutz.
Was war denn das? Schon
zur Pause rätselten die
Westfalia-Fans über den
blutleeren Auftritt
ihres Teams, am Ende
waren sie schier
fassungslos, hatten
höchstens noch Mitleid.
Wenn überhaupt. Denn der
Spitzenreiter hatte
nicht nur die ihm von
Trainer Christian
Knappmann auferlegte
Pflicht gegen den
Tabellenvierzehnten grob
vernachlässigt, er hatte
sich regelrecht selbst
versenkt. Gegen eine
keineswegs übermächtige
Mannschaft, die es aber
wenigstens mit
Fußballspielen
versuchte, waren die
Herner blindlings in ihr
Verderben gerannt.
Gerannt? Nein,
gestolpert. Wurde
andernorts schon
gemutmaßt, Westfalia
Herne könne sich nur
selber schlagen, so weiß
man seit gestern: Dieses
Kunststück beherrschen
die Herner perfekt.

Novembertristesse am
Schloss Strünkede: Der
SCW verliert gegen
Horst-Emscher mit 1:6
Eigentor ebnet den
Weg zum Sieg
Dabei war der Weg zu
einem weiteren lockeren
Sieg eigentlich geebnet.
Keine sechs Minuten
waren gespielt, da
wehrte Horsts
Innenverteidiger
Lantermann eine
Onucka-Hereingabe ins
eigene Tor ab. Der
Favorit führte, ohne
lange gegen Beton
anrennen zu müssen. Das
von Knappmann
befürchtete Geduldsspiel
blieb den Hernern also
erspart.
Das wirkte beruhigend.
So beruhigend, dass die
Herner die Laufarbeit
beinahe komplett
einstellten. Als ob sie
die drei Punkte bereits
im Sack hätten und es
nur noch um die Höhe
ihres Sieges ginge,
setzten sich die
Gastgeber zur Ruhe und
ließen die Horster
gewähren. Ob hinten oder
vorne, die
Emscher-Husaren waren in
Überzahl, weil sie als
Team arbeiteten,
verschoben und sich
gegenseitig halfen. Der
SCW hingegen wirkte wie
eine Ansammlung von
Einzelkämpfern. Die
Bälle wurden lang nach
vorne gepölt, niemand
rückte nach, und deshalb
fühlte sich auch keine
der Offensivkräfte
genötigt, nach
Ballverlust den
Rückwärtsgang
einzuschalten. Modernes
Umschaltspiel? Beim SCW
gestern Fehlanzeige.
Das bekamen die Gäste
schnell spitz. Cem Avci
ließ eine erste Chance
aus, als er ein Zuspiel
freistehend im 16-er
nicht verarbeiten konnte
(11.) Wenig später
grätschte Maurice Haar
eine Flanke knapp vor
Dolunay zur Ecke. Herne
wackelte, und Herne
fiel. Denn als sich im
Anschluss an die Ecke
niemand bemüßigt fühlte,
Volkan Kiral
anzugreifen, zog der vom
Strafraum-Eck einfach ab
und sein noch leicht
abgefälschter Schuss
senkte sich über den
machtlosen SCW-Keeper
David Wassmann hinweg in
den Knick.
War das der Wachmacher?
Mitnichten. Es war der
Anfang vom Ende.
Westfalia taumelte nun
von einer Verlegenheit
in die nächste und
kassierte nur zwei
Minuten später den
zweiten Nackenschlag.
Nach einem einfachen
Pass in die Tiefe
erhielt Seyit Ersoy von
der Herner Abwehr
freundlichen
Begleitschutz und lenkte
den Ball gleich mit dem
ersten Kontakt an
Wassmann vorbei zum 1:2
ins Netz. So einfach
kann Fußball sein.
Pleiten, Pech und
Pannen
Was folgte, hätte für
eine Doppelfolge von
„Pleiten, Pech und
Pannen“ ausgereicht.
Gleich nach dem 1:2
köpfte Haar beim
Abwehrversuch einen
Gegner an, doch diesmal
ließ Ersoy frei vor dem
Tor das Zuspiel über den
Spann rutschen. In der
31. Minute aber machte
es der Kumpel von
Weltstar Mesut Özil
besser und zwirbelte die
Kugel nach feinem
Doppelpass vom
Strafraumeck in den
Knick. Zu diesem
Zeitpunkt hatte
Knappmann seine Elf
schon komplett
durchgeschüttelt, hatte
Onucka und Kühn auf die
Sechserpositionen
beordert und den langen
Rieker ins Sturmzentrum.
Warum? Das blieb im
Dunkeln, Knappmann war
nach dem Spiel so
bedient, dass er seine
Jungs lieber Strafrunden
drehen ließ, als in der
auch von SV-Trainer
Krempicki boykottierten
Pressekonferenz zu
erscheinen.
Zur Halbzeit hatte er in
der Kabine vermutlich
noch richtig getobt. Der
Wille, das Spiel zu
drehen, war den Hernern
jedenfalls kurz
anzumerken. Doch es lief
einfach nichts zusammen,
Stockfehler reihte sich
an Querschläger, kein
Herner erreichte
Normalform, alles wirkte
hektisch-elektrisch.
Knappmann wechselte
früh, stellte immer
wieder um, schrie und
schimpfte, aber nichts
half. Als Ersoy gegen
die völlig aufgelöste
SCW-Abwehr das 1:4
erzielte, war die Pleite
perfekt. Kurz darauf
flog Gumpert mit
Gelb/Rot vom Platz, und
weil sich dann Mützel
verletzte und nicht mehr
ersetzt werden konnte,
musste Westfalia das
Trauerspiel zu Neunt zu
Ende bringen. Zweimal
klingelte es noch, dann
war es überstanden.
Endlich.
SC Westfalia 04 Herne -
SV Horst-Emscher 08 1:6
(1:3)
Tore: 1:0 (6.) Eigentor
Lantermann, 1:1 (13.)
Kiral, 1:2, 1:3 , 1:4
(15., 31., 61.) Ersoy,
1:5 (80.) Berberoglu,
1:6 (87.) Ersoy.
SCW: Wassmann - Rößler
(51. Gumpert), Zaskoku,
Haar (32. Petrovic) -
Temme, Rieker (46. Kaya),
Mützel - Kühn, Ferati -
Onucka, Trisic.
SR: Philip Dräger
(Bielefeld)
Zuschauer: 275
Gelb/Rot: Gumpert (SCW/69.).
Quelle:
WAZ Herne
| Wolfgang Volmer
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